Für mich ist 2024 das 25. Jahr, in dem ich über alle Jahreszeiten verteilt auf längeren Fotosafaris in der Serengeti und zuletzt speziell in ihrem nördlichen Teil, der Maasai Mara in Kenia arbeite. Das klingt für viele Naturfotografen, die kreuz und quer von Kontinent zu Kontinent durch die Welt jagen, vielleicht langweilig, ist es aber nicht. Denn trotz vieler Veränderungen und nicht unerheblicher Rückgänge bei einigen Tierarten in diesem Ökosystem – ob klimatisch oder durch den für viele Naturreservate typischen Konflikt zwischen Viehzüchtern und Wildtieren bedingt – hat die Mara immer noch die höchste Raubkatzendichte der Welt. Und im Sommer, wenn dazu noch Massen von Gnus und Zebras über den Sand River und den Mara River aus der Serengeti nordwärts ziehen, hat man auf den riesigen Ebenen südlich der Ronkai Lugga über die Savai-Hochebene bis hinunter zur Serengeti-Grenze das Gefühl: Hier ist die Zeit seit Jahrtausenden stehen geblieben. Es gibt kein anderes Naturreservat, in dem man Löwen, Leoparden, Geparde, Elefanten, Nashörner und anderes afrikanisches Großwild in ihrem natürlichen Lebensraum und Verhalten so hautnah erleben kann. Wer darüber hinaus spektakuläre Jagden und Kämpfe von Raubkatzen und andere Aktionen und Interaktionen von Wildtieren in der freien Natur fotografieren will, kommt in der Maasai Mara wirklich voll auf seine Kosten. Selbst nach Jahrzehnten erlebt man in der Mara immer wieder nie zuvor fotografiertes Tierverhalten – und es bleibt der Reiz, Fotos die man in früheren Jahren aus eigener Blödheit oder mangelnder Kameratechnologie versemmelt hat mit neuester Technik noch einmal optimiert umzusetzen.
Ab 1. Juli 2024 hat das Narok County Government eine zwar lange überfällige aber am Ende in dieser Höhe nicht erwartete Preisanpassung beim Eintritt von 70 auf 200 US-Dollar und bei der
Pro-Kopf-Steuer (Community Fee) von 30 auf 80 US-Dollar für das Maasai Mara Game Reserve durchgesetzt. Diese hohen Eintrittspreise sollen den Massentourismus in der Mara reduzieren. In der
Hochsaison, August und September, waren dann tatsächlich deutlich weniger Fahrzeuge in der Mara unterwegs als im letzten Jahr. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, dürfte die Maasai Mara trotz
der hohen Preise für Fotografen und anspruchsvolle Fotoamateure noch interessanter werden. Im Vergleich zu anderen Hotspots für Wildlife-Fotografie etwa im südlichen Afrika ist es dort auch nicht
teurer, bietet dafür aber durch die hervorragend geschulten Maasai Driver, die auch exzellente „guides“ sind, fotografische Möglichkeiten auf allerhöchstem Niveau und sehr gute Unterkünfte mit
hervorragenden Essen. In diesem Sommer hatten wir eine unglaublich hohe Wild- Aktivität, speziell bei den Raubkatzen, und die aktuellen Referenzen im Gästebuch zeigen, dass meine Gäste nicht
einen Cent bereuen, den sie für diese Reise ausgegeben haben.
Der diesjährige Sommerbericht ist in 7 Artikel aufgeteilt. Im letzten Teil habe ich z. B. die fototechnische Entwicklung aus meinen mittlerweile 25 „Dienstjahren“ im Busch behandelt. Dort sind
auch meine ersten Highspeed Fotosequenzen aus der Sony Alpha 9 III via Timelapse Software als Zeitlupen konvertiert.
Große Migration
Zur Zeit der großen Tierwanderung um die Jahresmitte waren deutlich größere Massen von Gnus und Zebras als in den Vorjahren aus der Serengeti in die Maasai Mara gewandert. Bei unserer Ankunft Anfang August grasten Hunderttausende von ihnen weit verteilt auf den großen Plains im Süden der Mara. In der Maasai Mara hat man in 2024 deutlich früher und selektiver das alte, für die Tiere ungenießbare Gras abgebrannt. Zum Glück setzten die Regenfälle dieses Jahr schon im Juli ein. Daher wuchs bereits bei der Ankunft der ersten, großen Gnu Herden über weite Areale das von den Antilopen bevorzugte, frischgrüne kurze Gras. In der Serengeti sollen zu dieser Zeit die großen Grassavannen noch völlig schwarz von der Asche gewesen sein, weil die Brände dort vermutlich außer Kontrolle geraten und größere Niederschläge ausgeblieben sind. Trotzdem zogen Massen von Gnus und einige Zebras nach gut einer Woche über den Sand River zurück in die Serengeti, kamen aber nach 14 Tagen, vermutlich mangels ausreichender Nahrung, in noch größerer Zahl zurück in die Maasai Mara. Mitte September war die Maasai Mara von der Serengeti-Grenze bis hoch an die Ronkai Lugga übersäht von grasenden Gnus und Zebras. Allerdings sind die Herden bis dahin nicht über den Talek River in den nördlichen Teil der Mara gezogen. Auch im Mara Triangle Reserve an der großen Salzlecke gab es bis weit in den September hinein nicht die üblichen Massen von Gnus. Dies hatte zur Folge, dass es mit Ausnahme einer Mini-Flussdurchquerung (Crossing) am Mara River, alle größeren Herden nur den Sand River passiert haben. Die Crossings dort sind nicht so spektakulär, weil dieser Fluss im Sommer fast austrocknet und dort keine Krokodile auf Beute lauern. Der Bilderstrecke zur Migration ist ein kurzes Video aus meinem Handy beifügt, dass mal wieder zeigt, was passiert, wenn ein Dumbasel von Fahrer zu dicht an den Ausstieg der Flussfurt fährt.
Im September setzte endlich Regen ein und es gab wunderschöne Lichtstimmungen und Sonnenuntergänge, aber erst nach unserer Abreise kam wieder Bewegung in die großen Gnuherden. Es zogen Massen von Gnus von der Serengeti ins Mara Triangle bis hoch an die Nordgrenze der Maasai Mara und am 23. September hat es dann im Grenzgebiet oben am Melting Pott Camp das erste Riesen-Crossing des Spätsommers am Mara River mit Abertausenden von Gnus
gegeben. Erst dachte ich wegen der späten, nochmaligen Rückkehr der Gnus in die Maasai Mara, die Tiere wären in diesem Jahr völlig verrückt oder es gab möglicherweise immer noch zu wenig Regen
und somit keine Nahrung in der Serengeti. Aber dann erinnerte ich mich daran, dass dieser Zeitablauf der jährlichen großen Migration bis 2015 normal war. Damals zogen die Gnus erst weit im
Oktober zurück in die Serengeti und die Zebras
folgten ihnen noch bis in den November. Ich bin sehr gespannt, wie es in 14 Tagen sein wird, wenn ich zurück in der Mara bin.
Löwen
Die Löwenpopulation ist zurzeit in der Maasai Mara sehr hoch. Eine Ursache dafür ist möglicherweise die bessere Anpassung an das tatsächlich vorhandene Beutetier- Angebot. Nach den starken
Rückgängen von Gnus und Zebras außerhalb der Migrationszeit konnte man über die letzten Jahre beobachten, wie sich sogar kleinere Löwengruppen ohne große männliche Tiere die Jagd auf die
reichlich in der Mara vorkommenden Büffel antrainiert haben. Früher konnte man Löwenjagden auf diese starken und wehrhaften Tiere, wenn überhaupt, nur von männlichen Jagdkoalitionen
wie den Notch-Brothers oder Scarface und seinen Brüdern beobachten.
Problematisch scheint mir momentan das Geschlechter-Ungleichgewicht der Löwenpopulation. Es gibt sehr viele männliche Tiere und fast alle Rudel werden von drei bis zu fünf von ihnen angeführt. Dazu kommen noch nomadisierende Gruppen junger Löwen. Dies führt immer wieder zu Kämpfen zwischen den Rudelführern und Löwen-Nomaden, um sich gegenseitig die Weibchenrudel abzujagen. Dabei werden häufig die vorhandenen Babys getötet, damit die Weibchen des jeweiligen Rudels wieder läufig werden und sich von den neuen Herren begatten lassen. In diesem Sommer fanden wir kleine Löwenbabys nur beim Topi Pride und beim Recero Pride, wobei wir die Recero Babys nie wiedergesehen haben.
Früh morgens auf dem Weg vom Camp in den Südosten der Mara hörten wir über mehrere Tage im Stockdunkeln die Kämpfe der Rudelführe vom Ronkai-Pride beim (missglückten) Übernahmeversuch des
Savai-Prides. Nur einmal konnten wir einen der Löwen mit blutverschmiertem Gesicht in der Dämmerung mit langer Verschlusszeit und ganz hohen ISO-Werten fotografieren. Warum diese Kämpfe zwischen
den Löwen nur nachts stattfinden, kann niemand erklären. Ich jedenfalls warte seit Jahrzehnten darauf, so einen Kampf „fotografierbar“ vor die Kamera zu bekommen.
Bei den Löwen konnten wir wieder einige interessante Jagden fotografieren. Am ersten Abend kamen wir zu einem Gebüsch, in dem eine kleinere Gruppe Löwen des aufgesplitterten Topi-Prides einen
starken, alten Büffel umlagerten und immer wieder in sein Hinterteil bissen, um ihn zu schwächen. Es waren nur Löwinnen und ihr heranwachsender Nachwuchs im Teenager-Alter daran beteiligt und
kein starkes männliches Tier war in der Nähe. Die Löwinnen allein trauten sich nicht, den kampflustigen, alten Büffel frontal anzugreifen und niederzuringen, um ihn dann vor dem Fressen wie
üblich mit einem Kehlbiss zu ersticken. So haben sie ihn immer weiter von hinten durch Bisse verletzt bis er kampfesmüde auf den Boden ging und ihn dann in schlimmster Hyänen-Manier bei
lebendigem Leibe von hinten nach vorne aufgefressen. Die zweite von uns beobachtete Jagd gab nur ein Titelfoto her, weil das Gnus schon fast vor Schreck zu Boden gegangen ist, als eine Löwin
direkt vor seinem Gesicht auftauchte. Bei der nächsten Jagd war das Gnukalb leider so dumm, sich auf das typische Katzenspiel einer Löwin einzulassen, die sich ihrer Beute sicher ist. Die
ständigen, kleinen Fluchten haben dem jungen Gnu dadurch leider einen ziemlich langen Todeskampf beschert. Eine weitere Jagd hat dann in der Mittagspause ohne uns stattgefunden. Die Löwin hatte
ein Zebra in einem Wasserloch gerissen und als wir dort ankamen, versuchte sie bei passend schummrigem Licht die schlamm- und blutverschmierte Beute ans Ufer zu ziehen. Am Ende sah die Löwin wie
gerade aus der Hölle zurückgekehrt aus.
Leoparden
Von den Leoparden der Mara konnten wir im Sommer neun erwachsene Tiere in ihren Revieren vor die Kameras bekommen. Der alte „Lorgolgol“ genannte, männliche Leopard war noch munter auf Brautschau unterwegs. Allerdings hatte es den Anschein, dass er bei den beiden jungen Weibchen, die einen Nachmittag in seiner Nähe waren, wohl nicht zum Zug kam. Sie waren vermutlich noch nicht so weit. Auch ein anderer, jüngerer Leopard lag dabei kaum 300 Meter entfernt im Gras. Die beiden hatten sich aber gegenseitig nicht bemerkt, sonst hätte es garantiert einen harten Kampf zwischen ihnen gegeben. Wir haben dort bis weit nach Sonnenuntergang gewartet, ob noch etwas passiert. Die Leoparden schlichen aber nur im Flussbett und am Ufer umher. In der Dämmerung konnte ich sowohl Lorgolgol als auch das junge Weibchen Faolo bei sehr hohen ISO-Werten durch ein Gebüsch hindurch fotografieren. Die Leopardin Bella II hat jetzt wie erwartet das Revier ihrer verstorbenen Mutter Bahati im Recoro Gebiet übernommen. Sie hat passend unter einem Baum gestanden und hat nach oben auf ihren Riss geschaut, ist dann aber dummerweise an dessen Rückseite hochgeklettert und wir konnten sie erst oben in der Astgabelung gut fotografieren. Kazuri, eine totgeglaubte Leopardin in einem ähnlich hohen Alter wie es Bahati erreicht hatte, haben wir Richtung Sand River quicklebendig auf einem Baum vorgefunden. Das Revier der im letzten Jahr verstorbenen Kaboso (die Leopardin mit dem bösen Blick) ist anscheinend von einer ihrer Töchter übernommen worden. Diese junge Leopardin dort hat jetzt zwei Junge bekommen, die wir hoffentlich auf der kommenden Herbsttour finden werden.
Absolutes Highlight war natürlich die Leopardin Luluka mit ihren zwei Babys. Sie wird mit ihrem Nachwuchs fast rund um die Uhr komplett von Rangern abgeschirmt. Wo immer sie sich mit den Babys gerade aufhält – es wird sofort zum Sperrgebiet für Touristen. Nur wenige Fahrer und Fotografen dürfen ganz früh am Morgen in ihre Nähe. Wir haben die Mutter mit den Babys bei über 20 Fahrten dorthin sehr schön und sogar auf einem Baum fotografiert, aber einige Gäste von mir haben sie eine Woche vor meiner Ankunft sogar auf der Mutter tobend abgelichtet. Johann Waba hat mir davon freundlicherweise ein Foto zur Verfügung gestellt. Unsere besten Fotos von den Babys „hätten sein können“ wenn uns nicht die Ranger einige Sekunden zu früh massiv zur Weiterfahrt gedrängt hätten. Wir waren gerade aus der Sichtweite der hohen Uferkante der Ronkai-Lugga, als kurz hintereinander weg zwei Fellknäule von oben platschend in die Lugga geflogen kamen. Wir konnten die Babys gerade noch im Wasser schwimmend fotografieren, nicht aber die tollkühnen Sprünge der beiden. Bis dahin wusste ich nicht einmal, dass gerade mal 9 oder 10 Wochen alte Leopardenbabys überhaupt schwimmen können. Löwen jedenfalls ertrinken in diesem Alter, wenn sie unbeaufsichtigt irgendwo ins Wasser purzeln.
Geparde
Die Geparde der Maasai Mara haben die gleiche Angewohnheit wie die Elefanten. Wenn im Sommer die Migration mit ihrem Massen-Geblöke der Gnus einsetzt und dann noch große Mengen Touristenfahrzeuge durch die Savanne kurven, ziehen sich beide Tierarten in die Randzonen des Reservats oder in umliegende private Schutzgebiete zurück. Erst später im August, wenn die Geburtenzeit bei den Gazellen und Topis beginnt, kommen die Geparde zurück in die Mara, um leichte Beute unter den neugeborenen Kälbern zu machen. In den ersten Wochen hatten wir deshalb nur die beiden stark in die Jahre gekommenen Überlebenden der „Five boys“ und eine der aktuellen Hauptattraktionen der Mara, die Gepardin Nashipai mit ihren jetzt gut ein Jahr alten vier Jungen gefunden. Wegen der konsequenten Abschirmung durch Ranger konnte sie tatsächlich alle vier Babys durchbringen. Nashipai wird immer noch durch eigens angelegte Sperrgebiete geschützt und der Zutritt wird nur wenigen Fahrzeugen am frühen Morgen gewährt. Eng zusammensitzend mit ihren Jungen haben wir nur ein verflimmertes Foto aus großer Entfernung mit Gras und Gestrüpp im Vordergrund bekommen. Die kleinen Geparde sind einfach zu quirlig, um lange für ein Familienfoto stillzuhalten.
Von den beiden letzten Geparden der Five Boys kam man keine große Action mehr erwarten. Sie jagen jetzt nur noch kleinere Beutetiere, die Zeit der spektakulären Jagden auf Topis, Zebras und Gnus ist für sie vorbei. Der frühere Killer der Gruppe besteht fast nur noch aus Narben, die Reißzähne sind völlig abgenutzt und die Schneidezähne sind weggefault. Als er ohne seinen Partner versuchte, ein Topikalb zu reißen, ist er in die völlig falsche Richtung gelaufen, was vermuten lässt, dass er auch nicht mehr gut sieht und somit allein nicht überlebensfähig ist.
Die Gepardin Nashipai muss jetzt täglich für ihre heranwachsenden Teenager jagen gehen, auch sie nutzt die Zeit der leichten Beute und reißt täglich bis zu fünf Gazellenkälber. Allerdings wird
ihr die Beute häufig von Hyänen weggenommen. Wenn der Hunger bei ihrem Nachwuchs nicht zu groß ist, bringt sie ihren Jungen die Gazellenbabys lebendig und lässt sie damit das Jagen trainieren. Es
ist immer wieder eine spektakuläre Aktion, wenn vier junge Geparde hinter einer kleinen Gazelle herjagen, was allerdings nach unserem Befinden sehr grausam für das Gazellenbaby ist, weil die
jungen Raubkatzen noch nicht in der Lage sind, es vor dem Fressen zu töten.
Ende August kamen noch zwei junge männliche Geparde in die Mara und später noch zwei erfahrene Weibchen, die augenscheinlich trächtig waren. Das lässt für die Herbsttouren auf Gepardenbabys
hoffen.
Servale
Nicht weit vom Olive Camp gibt es einige Reviere von Servalen, die im letzten Jahr zur Hauptsaison verlassen waren, weil die Grassavannen von Ronkai bis zur Serengeti fast komplett zu schwarzer
Asche heruntergebrannt waren. Wir dachten, die Tiere wären in den außer Kontrolle geratenen Feuern umgekommen, aber in diesem Jahr sind sie zurückgekehrt. Ein weiblicher Serval hatte sogar zwei
heranwachsende Junge. Die eleganten, schlanken Serval-Katzen müssen alle zwei Stunden jagen, weil sie einen sehr hohen Stoffwechsel haben. Im hohen Gras sind diese kleinen Raubkatzen nicht leicht
zu finden und gegenüber Menschen verhalten sie sich sehr scheu. Meist kehren sie uns schnell den Rücken zu und versuchen zu verschwinden. Servale bei der Jagd zu fotografieren, ist eine besondere
Herausforderung, denn wenn sie eine Beute wittern – meist Ratten, Mäuse und andere Kleintiere – kommen sie aus dem Gras geschossen und springen im Bogen von oben auf ihre Beute. Sie dabei mit der
Fotokamera zu erwischen, war bis vor einigen Jahren äußerst schwierig. Der Autofokus konnte der rasanten Sprunggeschwindigkeit kaum folgen und man bekam mit viel Glück vielleicht ein oder zwei
brauchbar scharfe Bilder. Vögel und selbst die im Vergleich zu ihrer eigenen Körpergröße riesigen Beutetiere wie die Nilgans können Servale mit Sprüngen aus dem Stand bis fast 4 Meter über dem
Boden in der Luft abgreifen. Und genau so eine Situation im Februar 2020, als früh morgens ein Serval eine Ägyptische Gans im Luftkampf erbeutet hat, sorgte für den Bruch meiner innigen Beziehung
zur Nikon D850. Schärfe ist zwar nicht das einzige Konzept für ein Foto, aber die knackscharfen Fotos, die eine Schweizer Amateurfotografin mit ihrer Sony Alpha Kamera von dieser einmaligen und
wahrscheinlich nie zuvor fotografierten Szene geschossen hat, sahen doch bedeutend besser aus als die unscharfen Kunstwerke von uns anderen in der Foto Gruppe. Zurück in Deutschland habe ich
mir dann eine der ersten gerade auf den Markt gekommenen Sony Alpha 1 organisiert und dieses „Blind Date“ bis heute nicht eine Sekunde bereut. Mit dem Autofokustracking der Sony Alpha 1
konnte ich dann in den letzten Jahren bei 30 Bildern pro Sekunde schon einige gute, kurze Bildsequenzen von seitlichen Bogen-Sprüngen der Servale erzielen.
Jetzt habe ich Frontalsprünge von Serval Katzen mit der neuen Sony Alpha 9 III mit 0,2 Sekunden Pre Capture und 120 Raw Bildern pro Sekunde in Vollauflösung fotografiert. Die Ergebnisse haben
mich überaus positiv überrascht. Trotz der hohen Annäherungsgeschwindigkeit der fliegenden Katze und des Einsatzes eines relativ lichtschwachen Objektivs, des 5.6 - 6.3 200-600mm, sind die
Fotos allesamt scharf. Im Nachhinein ärgere ich mich nur, weil ich diese Bilder nicht mit dem 2.8 400mm bei offener Blende mit freigestelltem Hintergrund fotografiert habe.
25 Jahre Wildlife-Fotografie in der Serengeti und Maasai Mara – von der Mittelformatkamera zur Highspeed Fotografie mit der Sony Alpha 9 III
Vor 25 Jahren bin ich auf Wunsch meiner damaligen Freundin das erste Mal nach Kenia gereist und mehr durch Zufall auch in der Maasai Mara gelandet. Bei Tieren interessierten mich damals eher die Garzeiten als deren Lebensumstände. Afrikanisches Großwild war mir völlig egal, das gabs ja zu Hause in jedem Zoo und Wanderzirkus. Nur, als ich dann am ersten Nachmittag in der Mara mit dem offenen Jeep fast auf Kuschelreichweite in einem Löwenrudel stand, hat mich irgendetwas gepackt, was man gemeinhin „Afrikafieber“ nennt. Das hat mich bis heute nicht losgelassen und die Wildnis ist mein zweites Zuhause geworden. Fotografisch begann ich die Tierfotografie in den späten Neunzigern in der Maasai Mara mit der Mamiya 7, einer relativ leichten und handlichen Mittelformat-Messsucherkamera im Aufnahmeformat 56 x 70 mm, weil mir das 24 x 36 mm Kleinbildformat zu grobkörnig und bei Vergrößerungen nicht scharf genug war. Meine längste Brennweite war ein 150 mm Objektiv (ca. 90mm bei Kleinbild). Amerikanische Mitreisende haben sich damals im offenen Geländewagen noch flach auf den Boden geworfen, als ich den Fahrer vom Governors Camp mangels längerem Teleobjektiv auf wenige Meter an Löwen heranfahren ließ. Mit der Mamiya 7 habe ich Sylvester 2000 mein bis heute bestes Foto von einer Elefantenherde vor blauschwarzem Gewitterhimmel fotografiert.
Anfang der 2000er nutzte ich dann die erste Digitale, eine Nikon D1x mit 2.8 70- 200mm und 1.4er Konverter. Die Kamera hatte noch eine bedenklich ausgefressene Lichterwiedergabe aber dafür die Segnung der chemielosen Bildverarbeitung. Nur gab es damals kaum Strom in der Mara zum Nachladen der Akkus für diesen Vollelektrischen Boliden. In den Camps waren Kerosin- oder Gaslampen üblich, und so musste man den Camp-Manager überreden, den Stecker vom Kühlschrank in der Nacht für ein Stündchen aus dem Generator zu ziehen, damit man seine Kamera-Akkus nachladen konnte. Abhilfe schafften dann später Stromwandler auf 220 Volt zum Anschluss an die Zigaretten-Anzünder-Buchsen in den Geländewagen – wenn sie denn funktionierten. Aus dieser Zeit habe ich nur wenige Bilder zu dokumentarischen Zwecken behalten, weil ich viele der Motive über die Jahre in höherer Qualität bekommen habe.
Ich glaube es war 2004 als mit der Nikon D2X (APS-c Format) die erste wirklich brauchbare Digitalkamera von Nikon ziemlich zeitnah zum 4.0 200-400mm (300- 600mm bei APS-c) Profi-Zoom auf den Markt kam. Vor 20 Jahren eine ideale Ausrüstung für Wildlife-Fotografen, damit habe ich einige meiner Bücher produziert und heute noch Massen hervorragender Bilder im Archiv. Ende 2007 führte Nikon mit der D3 das Vollformat ein. Es war die erste Digitalkamera, deren ISO-Empfindlichkeit bei niedrigem Bildrauschen so hoch ging, wie es zuvor auf Diafilm undenkbar war. Man konnte erstmals Löwen in ihrer aktivsten Tageszeit, der Dämmerung, in erstaunlich guter Qualität fotografieren. Wegen der geringen Auflösung von 12 MP habe ich für großformatige Buchproduktionen dann noch die Canon 1DS MK3 mit 21 MP eingesetzt. Später nutze ich dann die Nikon D810 und bis 2020 die Krönung der DSLR’s, die D850. Sie liefert bei bis zu 9 Bildern Serienbildgeschwindigkeit bis heute eine Spitzen- Bildqualität.
Allerdings hatten alle diese Digital-Kameras einschließlich der D850 für meine Anforderungen die gleichen Schwächen: Ein zu langsamer und unzuverlässiger Autofokus bei rennenden Tieren im hohen Gras oder ihrer der Umwelt angepassten Fleckfell-Tarnung, eine zu geringe Serienbildrate bei Jagden und ähnlichen Szenerien und völlig unzureichende Pufferspeicher um solche Situationen durchgehend fotografisch zu dokumentieren.
Im Frühjahr 2020 kam die Sony Alpha 1 auf den Markt und all diese Schwächen waren passe: Nun gab es 50 Megapixel, erstklassige Bildqualität, präziser Autofokus, 30 Raw Bilder pro Sekunde und knapp 5 Sekunden/144 Schuss Pufferspeicher. Seit dreieinhalb Jahren ermöglicht mir die Alpha 1 Aufnahmen, die ich vorher so nie machen konnte. Bei durchs Gebüsch schleichenden Leoparden oder im hohen Gras und Gestrüpp jagenden Geparden hat bis heute keine andere Profi-Kamera von Mitreisenden Gästen auf meinen Touren diese Autofokus-Präzision erreicht – mit Ausnahme der Sony Alpha 9 Mark III. Die Alpha 9 III ist allerdings keine Allroundkamera wie die höher auflösende Alpha 1, sie erweitert aber das Aufnahmespektrum für die Wildlife Fotografie durch die Highspeed- Einstellungen bei allen rasanten und spektakulären Szenerien enorm.
Mit 24 Megapixel Auflösung ist diese Kamera für Sport- und Actionfotografen konzipiert. Durch die ultrakurze Sensor-Auslesezeit von 1/80.000 und gleich kurze Verschlusszeit kann die Alpha 9 III auch schnellste Motivbewegungen „einfrieren“ und knackscharf ohne Verzerrungen durch den Verschluss (kein Rolling-Shutter -Effekt) absolut realitätsgetreu wiedergeben. Bei bis zu 120 hochauflösenden Raw Bildern pro Sekunde löst sie spektakuläre Action-Szenerien wie in Zeitlupe auf. Die bei der Alpha 9 III auch bei Raw Bildern in 20 Schritten von 0,005 bis zu 1.0 Sekunden anpassbare Pre Capture Einstellung ermöglicht Fotos, bei denen der richtige Auslösezeitpunkt unmöglich im Voraus eingeschätzt oder nur durch Zufall getroffen werden kann. Vom startenden Eisvogel über den absprungbereiten Leoparden und allen anderen Ereignissen, die vom Fotografen nicht antizipierbar sind, liefert sie Highspeed- Fotosequenzen, die bisher mit keiner anderen Fotokamera in der freien Wildbahn möglich waren. In der Praxis erlaubt die Alpha 9 III frei Hand fotografische Aufnahmetechniken, die bislang nur mit aufwendiger Blitztechnik, Fernauslösung durch Lichtschranken oder dem Stroboskopeinsatz in der Industrieanwendung umzusetzen waren.
Im Sommer habe ich die Alpha 9 III nur als Zweitkamera eingesetzt und bereue nach Durchsicht der Bilder, sie nicht häufiger genutzt zu haben. Man braucht allerdings auch etwas Zeit, um sich mit all den fotografischen Möglichkeiten dieser Kamera vertraut zu machen und die Werkseinstellungen seinem individuellen Arbeitsstil anzupassen. Beispielsweise ist die Grundeinstellung des Pre Capture mit 0,5 Sekunden für mich zu hoch. Das kostet im Highspeed Bereich mit 120 Bilder pro Sekunde bis zu 25% ihrer Pufferspeicher-Kapazität und müllt unnötig die Speicherkarte voll. Ich schalte Pre Capture nur bei Bedarf über eine Funktionstaste zu und in der Praxis haben sich bei mir 0.1 bis 0.2 Sekunden Vorlauf bewährt. Den Booster, also die Zuschaltung der höchsten Bildfrequenz von 120 Bildern pro Sekunde, habe ich vom Gehäuse weg auf die „Focus Hold“ Knöpfe der Objektive gelegt. Bei der Autofokus Präzision der Alpha 9 III brauche ich keine manuellen Eingriffe bei meiner Arbeit. Was dieser Autofokus in der Praxis leistet, könnt ihr an den folgenden, über eine Timelapse Software erzeugten Zeitlupen von Bildsequenzen aus der Alpha 9 III sehen und an dem rennenden Zebra sehen. Die Kamera hält sogar die Schärfe, wenn es zwischenzeitlich ein Gebüsch passiert. Die folgenden Zeitlupen sind etwas hakelig, weil sie nicht gefilmt wurden, sondern aus Einzelfotos mit Verschlusszeiten von 1/1600 bis 1/2500 Sekunde bei 30 bis 120 Bilder pro Sekunde im Raw Format fotografiert und zum Video konvertiert sind.
Kommentar schreiben
Wolfgang Kesper (Sonntag, 29 September 2024 20:19)
Lieber Uwe,
wieder einmal mehr bin ich anscheinend der erste, der einen Blog Beitrag von Dir kommentiert. Vermutlich ist es die längste Abhandlung, abgesehen von Deinen Büchern, die Du über die Mara verfasst hast.
Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum ->25 Jahre Mara!
Ingrid und ich können das allerdings toppen, wir sind seit 1988 dabei... und es hat uns, ähnlich wie es bei Dir war, nie wieder losgelassen.
Deinen kleinen Rückblick über die Kameraentwicklung kann ich komplett bestätigen, da sind die heutigen Möglichkeiten deutlich besser, wobei trotzdem das Problem in der Fotographie oft hinter der Kamera zu finden ist ;-) .
Letzteres liegt bei Deinen Fotos jedoch nicht vor: sie sind durchweg grandios!
Marcel Besier (Freitag, 04 Oktober 2024 16:49)
Hallo Uwe,
wir waren jetzt im August - September 10 Tage mit Dir im Olive Camp und was soll man sagen?
Wir kamen als Fremde und gingen als gute Freunde. Die Zeit mit Dir im Olive Camp war außergewöhnlich und das nicht nur aufgrund der überaus erlebnisreichen Wildlife Erlebnisse mit Leoparden, Geparden, Löwen und vielen Serval Katzen. Auch das Campleben war vorzüglich mit tollen Unterkünften, gutem Essen und immer freundlichem Personal. Das Besondere waren aber die großartigen Momente und Gespräche ob beim Sundowner, an der Bar oder bei Lunch und Diner. Für mich persönlich ist unsere Bekanntschaft bereichernd, es gab immer interessante Themen und viel Spass. Ich hoffe, dass die Zukunft weitere spannende Themen und gemeinsame Zeit für uns bereit hält. Wir sehen uns. ...
Rolf G. und Kathrin W. aus Dresden (Sonntag, 06 Oktober 2024 16:10)
Lieber Uwe,
danke für Deinen sehr umfassenden Bericht und die vielen herausragenden Fotos und Videos. Unsere erste Fotosafari bei Dir war unsere erste Afrikareise überhaupt und liegt nun schon fast ein Jahr zurück. Es ist sehr spannend zu lesen und zu sehen, wie es den Tieren in der Zwischenzeit ergangen ist. Besonders erfreulich ist, dass die 4 kleinen Geparden herangewachsen sind und nun schon üben, Beute zu erlegen. Auch Luluka mit ihren 2 Babies ist wunderschön anzusehen. Deine vielen wunderbaren Fotos zeigen, dass es noch sehr viel zu entdecken und erleben gibt.
Als Katzenliebhaber hat uns die hohe Raubkatzendichte in der Maasai Mara schwer beeindruckt und ebenso der Umstand, dass man als Fotograf im Fahrzeug von den Tieren als Teil der Landschaft angesehen wird. So hat man die Gelegenheit, die Tiere in ihrem Alltag zu erleben und einzigartige Beobachtungen zu machen und sie im Foto oder Video festzuhalten.
Bei unserer ersten Safari bei Dir haben wir viel gelernt und wir haben Lust auf mehr.