Hände hoch: Wer hat als Kind das Dschungelbuch geliebt und davon geträumt, einmal Bagheera und den Königstiger Shere Kahn zu sehen? Ich auch. Im Frühjahr, als eine andere, ganz andere
Tour ins Wasser gefallen ist, habe ich spontan die Einladung von Aly Rashid angenommen und bin im Februar für zwei Wochen nach Zentralindien gereist. Genaues Ziel waren
drei Nationalparks/Reservate in Madhya Pradesh. Mein Foto-Schwerpunkt in Indien ist natürlich die Tigerfotografie.
In Madhya Pradesh bilden die Naturreservate zusammen mit umliegenden, sogenannten Pufferzonen und „Wildlife Corr
Natürlich geht der Erhalt solch großer Schutzgebiete auch auf Kosten
der lokalen Stammesbevölkerung. Man sieht in vielen Naturreservaten immer noch die Reste umgesiedelter Dörfer und praktisch alle Graslandschaften sind sekundär auf ehemaligen Ackerflächen
entstanden. Ist so etwas echte Wildnis? Soll man als Naturliebhaber überhaupt noch dort hin? Hier stellt sich generell die Frage, ob es überhaupt noch gesunde funktionierende Ökosysteme in der von uns Menschen räumlich eingeschränkten und fragmentierten ursprünglichen Natur
gibt. Häufig sind auch die früheren Wanderwege der Tiere versperrt, was bei Tieren, die ein großes Habitat zum Überleben benötigen, schnell zu Inzucht und einem stark beeinträchtigten Genpool
führt.
Intensives Wildlife-Management wird
Wie bei allen kommerzialisierten Naturparks hat man auch in Indien bei der Ankunft im Reservat schon ein bisschen „Tierparkgefühle“: Viele Hotels und Lodges auf den
letzten Kilometern vorm Gate, Souvenirshops rund ums Ticketoffice und alles, was zum modernen Tourismus dazugehört. Aber je weiter man in das Naturreservat hineinfährt, desto herrlicher ist
das Naturerlebnis. Es geht in den Indischen Naturparks deutlich ruhiger zur Sache als vergleichsweise in vielen Parks Ostafrikas, wo die Touristenfahrer praktisch Jagd auf die Tiere machen. Die meisten
Schutzgebiete sind durch Zonen geteilt und man bucht mit dem Ticket auch die Zone, in der man an diesem Tag auf Fotopirsch geht. Eine Überfahrt in andere Zonen ist nur
mit einem „full-day-
Problem.
Tiger leben in Waldgebieten, deshalb sind sie auch viel schwieriger zu finden als die in den offenen Savannen tagsüber vor sich hindösenden Löwen und anderen
Großkatzen Ost- und Südafrikas. Fotografisch ist die Tiger-Fotografie viel anspruchsvoller, häufig bleiben für ein Foto nur wenige Sekunden oder man hat Unmengen Gestrüpp im Vordergrund. Der
Tiger kommt meist nur kurz aus dem Dickicht heraus, läuft eine kurze Weile auf dem Track oder im offenen Gelände und verschwindet dann wieder unsichtbar im Gebüsch. Denn Unsichtbarkeit für eine
mögliche Beute bringt einer so großen und im offenen Gelände weithin sichtbaren Katze nicht nur den kurzfristigen Jagderfolg, sie ist ihre Überlebensstrategie. Touristen gegenüber wirken Tiger
recht entspannt, nur muss man wirklich zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, um sie überhaupt zu finden. Helfen kann nur die Erfahrung der „Naturalist“ (Indischer Tourguide) und die
Mitarbeiter des Forest Departments, die zwangsläufig bei jeder Tour dabei sind. Diese lokalen Guides kennen jeden Busch und jeden Tiger in ihrem Naturreservat, sind mit den Gewohnheiten und
Routen der einzelnen Großkatzen vertraut und über ihre aktuellen Lebensumstände im Bild. Sie wissen welche Tiger die Reviere teilen, wer von Ihnen sich mit wem gerade gut verträgt und welche
Tigerin gerade Babys
hat. Tiger haben, wie von viele anderen Tieren bekannt, generationsübergreifend ihre festen Routen und Lieblingsplätze bei der
Patrouille durch ihr Territorium. Sehr beliebt sind die Ufer von Flussläufen und, wie bei den Großkatzen Afrikas, die bewuchsarmen Tracks der Touristenfahrzeuge. Wenn man mit einer Tigersafari beginnt, merkt man schnell, worauf die Guides achten,
nämlich auf die Warnläute der Sambar- und Axishirsche, oder von Languren und anderen Beutetieren. Sie folgen diesen Warnlauten, und nach dem Lautmix der Arten, die sich an dem Warnrufkonzert
beteiligen, wird eingeschätzt, ob sie vor Tigern, Leoparden oder anderen Raubtieren
ohne dass wir sie sehen konnten. Wenn
man aber einmal ein Tiger sichtet, vergisst man die mühselige und oft erfolglose Sucherei, denn diese Großkatzen sind wirklich majestätisch. Sie werden
von den Guides auch sehr respektiert, sie lassen ihnen immer reichlich Raum und bedrängen sie nicht (insbesondere, weil einige Tiger Spaß daran haben, auf diese
kleine Suzuki-Safariautos Scheinattac
Es gibt natürlich nicht nur Tiger in den Parks, man sieht überall sehr schöne Hirsche, Axishirsche (Hello
Bambi!) sind allgegenwärtig und auch die großen Sambarhirsche, Nilgaiantilope und Gaurs sieht man oft. Mit Glück kann man auch Muntjaks entdecken. Languren sind häufig und manchmal hört man das
laute Gezeter großer Gruppen von Rhesusmakaken – bei ihnen ist fast immer Krawall. Die Vogelwelt ist ebenso reich und sehr stimmfreudig. Leoparden werden in Indien von Touristen weniger gesucht als Tiger und sind gegenüber Menschen im Auto nicht besonders
scheu, verhalten sich wegen der für sie gefährlichen Tiger aber
eher vorsichtig. Goldschakale und sogar indische Wildhunde (Dhole)
kann man mit ein bisschen Glück antreffen, und auch den gefährlichsten Bewohner des indischen Dschungels: Baloo, den
Lippenbären. Diese Ameisen- und Termitenfresser sind trotz ihrer tollpatschigen Erscheinung eine sehr aggressive Bärenart mit
beachtlichen Krallen und Dauerangriffslust.
Und jetzt im Detail:
Satpura mit seinen Trockenwäldern und gemischt subtropischen Bergwäldern hat inklusive der dazugehörigen Pufferzonen und umliegenden Schutzgebiete eine Fläche von insgesamt
2088,3 km² und liegt in einer Mittelgebirgsgegend. Der zentrale Teil des Parks ist zum Schutz der Tiere für Touristen gesperrt. Von der Bori Safari Lodge fährt man entweder Richtung Churna
oder durch die Wasserreservoire des Tawa-Flusses. Beide Gebiete bieten eine abwechslungsreiche Landschaft mit mosaikartigen Grasflächen zwischen bewaldeten Hügeln. Wenn man nach Norden
fährt, ist die Landschaft hügelig bis felsig mit sehr schönen Waldserpentinen. Im Bereich vom Churna-Gate kann man die Malabari-Rieseneinhörnchen
beobachten und Arbeitselefanten sehen. Am ersten Tag trafen wir hier auf Wildhunde, die auf Revierpatrouille waren,
dem Track oder lagen im Gras, um spielerisch miteinander zu
kuscheln. Besonders witzig ist ihre Reviermarkierungsmethode: Sie urinieren im Handstand. Die Wildhunde waren eigentlich nicht scheu, haben aber
trotzdem einen deutlichen Abstand von unserem Auto gehalten. Von den Tigern Satpuras trafen wir als erstes ein scheues, von den
Tour-Guides „Kagdi“ genanntes Weibchen. Später am gleichen Tag fanden wir in der Nähe des Tawa-Flusses Shiva, einen riesigen Tiger, allerdings augenscheinlich in so mieser Laune, dass mein Fahrer
gleich mal den Sicherheitsabstand erhöht hat. In Satpura habe ich auch eines der „full-day-
Pench (757.85 km²) ist da, wo Mowgli zu Hause war, ein kleineres Gebiet mit wirklich wunderschöner Landschaft, insbesondere das Ufergebiet vom namensgebenden Pench-Fluss mit seinen großen
Bouldersteinen und lichten Teakwäldern. Ich habe hier leider keine Tiger gesehen (obwohl die Tigerpopulation sehr gut etabliert sein soll), aber bereits am ersten Abend haben wir eine erfolgreiche Jagd von Schakalen auf ein Axishirsch
Kälbchen beobachtet. In Pench bekommt man mit etwas Glück Leoparden auf Felsen beim sehr schönen, goldenen durch die Bäume gestreutem Licht vor die Kamera. Und wir hatten das
Glück, den einzigen schwarzen
Kanha (2059 km²) ist berühmt für die immergrünen Sal-Wälder. Es ist ein ganz anderes Waldbild, auch
deutlich kühler als Satpura oder Pench. Morgens hatte ich märchenhafte Lichtverhältnisse mit goldenem Nebel. In Kanha gibt es neben sekundären Graslandschaften Felsenhügel mit nativen Bambuswälder. Hier kann man Tiger im Salwald, im goldenem
Grass, vor hohem Bambus und auf Felsen fotografieren. Nur das Tigermotiv auf einem schönen Felsen mit Spiegelung im Wasser, worauf ich Stunden gewartet habe, habe ich nicht vor die Kamera bekommen, obwohl die
Katze genau an diesen Platz gerne zum Trinken kommt. Ich fand
sie dann 500 Meter weiter im unschönen Baumschatten. In Kanha kann man auch Barashingas sehen, hübsche große, sehr elegante
Sumpfhirsche mit verwuscheltem Fell, ein Reeintroduktionserfolg. Dieses Reservat ist populärer als die anderen
beiden Parks mit deutlich mehr Touristen, vor allem aus den umliegenden Städten.
Kommentar schreiben