In diesem Juni habe ich mir die Zeit genommen, für 14 Tage die Serengeti in Tanzania zu bereisen. Zweck der Tour war, den ganzen Nationalpark kreuz und quer zu erkunden, um dort sinnvolle Touren für zukünftige Fotografen-Safaris als mögliches Alternativprogramm zur zeitweilig vom Massentourismus völlig überlaufenden Maasai Mara in Kenia zu planen. Die Voraussetzungen für die Touren in der Serengeti haben sich Ende 2024 ergeben, weil Deepa, die Inhaberin vom Olive Camp, sich gemeinsam mit einem Geschäftspartner entschlossen hatte, auch in der Serengeti Camps zu bauen und weil ich endlich in Arusha einen Partner für die Durchführung der Game-Drives mit entsprechend für Fotografen und Filmer umgebauten Fahrzeugen für uns unter Vertrag nehmen konnte. Mittlerweile können wir in der Serengeti vom Südosten über das Zentrum und ganz im Norden kurz vor dem Mara River an der Grenze zu Kenia für unsere Touren über vier Camp-Standorte verfügen, ein Fünfter ist für die Westserengeti in Planung. Alle Camps haben einen ähnlichen, sehr guten Standard und Service als das Olive Camp in der Maasai Mara. Die Allrad-Fahrzeuge von Michael haben sich sogar für fotografische Zwecke als besser als unsere Autos in der Mara erwiesen, weil es außerhalb der „high used zones“ in der Zentralserengeti deutlich weniger Restriktionen für Spezialumbauten an den Autos gibt.
Die Serengeti ist eines der größten, intakten Ökosysteme der Welt, allein der Nationalpark ist mit rund 14.000 Quadratkilometern zehnmal so groß wie die Maasai Mara, dazu addieren sich noch angrenzende Conservation-Areas, Private-Conservancies und auch Jagdgebiete von weiteren gut 15.000 Quadratkilometern. Die Besucherzahlen liegen auf ähnlichem Niveau wie in der Mara, verteilen sich aber auf ein viel riesigeres Gebiet – wobei es durchaus während der Migration im Juli/August in der Zentralserengeti und im Norden am Mara-River zu größeren Fahrzeugpulks kommt, denen man aber bei umsichtiger Planung ausweichen kann. Die Serengeti ist im Bereich des Nationalparks deutlich restriktiver als sogenannte Game Reserves oder Conservancies. In den touristischen „high used zones“ ist das Aussteigen aus dem Fahrzeug strikt untersagt, Buschfrühstück oder Buschlunch muss in extra dafür eingerichteten Picnic-Plätzen eingenommen werden. Neuerdings darf man für 6 USD tägliche Extrazahlung wieder etwas abseits der Hauptstraßen unter Bäumen zum Frühstücken aussteigen oder auch auf einige Kopjes hinauffahren.
Landschaftlich ist die Serengeti mit ihren unterschiedlichen Bewuchszonen viel spannender als die Maasai Mara. Von Arusha kommend passiert man den Ngorongoro Krater und fährt durch herrliches Gebirgsland mit überall verstreuten, kleinen Maasai Dörfern. Danach kann man die Touristen-Hauptroute über das Naabi-Hills Gate der Serengeti durch die riesigen, baumlosen Savannen nehmen oder man wählt die Südroute über Ndutu mit seinen von Schirmakazien umrundeten Marschen und Seen und den sich auch hier nach Westen und Süden öffnenden riesigen Savannengebieten. Fährt man weiter ins Zentrum nach Seronera, wechselt das Landschaftsbild zu Buschland und bewaldete Gebiete oder auch baumbestandenen Luggas. Im Ostteil der Serengeti schließen sich wieder riesige Savannengebiete mit den berühmten Kopjes – Felskuppen die wie Inseln aus der offenen Savanne herausragen – bis in den Norden an. Der Westen der Serengeti, der „Western Corridor“ wird vom Grumeti-River und kleineren Flüssen durchzogen und ähnelt stark der Maasai Mara. Weiter nördlich bis hinauf nach Kogatende am Mara-River wechseln sich offene Savannen und Buschland ab, das sich bis zur Westgrenze der Serengeti hinzieht, während das Gebiet östlich entlang des Mara- und Sand-Rivers wieder von Kopjes durchsetzt und zunehmend zu großen Grassavannen bis weit vor die Ostgrenze öffnet.
Der Tierreichtum in der Serengeti ist immer noch gigantisch. Wichtigstes Tier und Hauptnahrung für die vielen Raubkatzen ist das Gnu. Der letzte Census der Tanapa von 2023 ergab ca. 1.300.000 Individuen. Ob diese Zahl korrekt ist oder nicht, wir haben auf jeden Fall über Tage riesige Herdenzüge über mehr als 60 Kilometer vom Western Corridor bis zum Fort Ikoma gesehen. Dazu gesellen sich knapp 200.000 Zebras, Hunderttausende anderer Antilopen und Gazellen, reichlich Elefanten und eine große, stabile Löwenpopulation sowie Leoparden, Geparden und viele Tierarten mehr. Das klingt jetzt nach Zoo – ist es aber nicht! Wegen der riesigen Ausdehnung des Ökosystems kann auch mal eine halbe Million Gnus über Tage oder sogar Wochen unauffindbar sein, selbst im Halbschlaf können sie in einer Nacht 30 und mehr Kilometer zurücklegen. Ähnliches gilt auch für große Löwenrudel oder Geparde, insbesondere in den Gebieten, wo die Raubkatzen nur während des Durchzugs der Gnu- oder Zebraherden über genügend Nahrung verfügen. In der „Saure Gurkenzeit“ müssen sie riesige Reviere nach Nahrung absuchen und sind dann auch viel schwieriger zu finden. Etwas ganz besonders und einmalig in der Serengeti sind Fotos von Löwen, Leoparden und manchmal auch von Geparden auf den Kopjes. Wir wurden das Gefühl nicht los, dass fast jede Felsformation von den Moru-Kopjes in der Zentralserengeti bis zu den Gol-Kopjes weit im Osten von Löwenrudeln in Beschlag genommen wurden. Selbst auf den für Besucher zu Fuß zugänglichen Ngong Kopjes, einer alten Maasai Kultstätte, wären diese von drei männlichen Löwen empfangen worden. Das klingt jetzt auch wieder gut und nach Mengen von Löwenfotos und anderen Raubkatzenfotos – man bekommt sie auch und sogar häufig ohne Pulks von Touristenfahrzeugen drumherum, muss dafür aber mehr Geduld und viel längere Fahrwege als im viel kleineren Maasai Mara Game Reserve in Kauf nehmen.
Die Serengeti ist im Kernbereich ein Nationalpark und viel naturbelassener. Anders als die von Schotterpisten und Unmengen von Game Tracks kreuz und quer durchfurchte Mara gibt es in der Serengeti deutlich weniger Schotterstraßen und über weite Gebiete nur wenige Game Circuits oder sogar gar keine Game Tracks. Zehn Kilometer Luftlinie können hier schnell 40 Kilometer Fahrweg über die vorhandenen Straßen bedeuten. Außerhalb der „high used zones“ in der Zentralserengeti gibt es für Fotografen und Filmer Offroad-Permits oder das Offroad fahren wird in ganz abgelegenen Zonen auch stillschweigend toleriert. Trotzdem kann man in Sumpfgebieten und von Luggas durchzogenen Arealen der Serengeti mangels ausgefahrener Tracks oder Flussfurten selbst mit dem besten Allrad-Fahrzeug nicht überall durchkommen. Deshalb machen permanente Offroad Permits meist wenig Sinn, man kauft sie tageweise und nur für Gebiete, die eine Verfolgung der Tiere, beispielsweise jagende Geparde auf den großen Grassavannen, auch möglich machen. Ausnahme im Ökosystem ist die dem Nationalpark vorgelagerte Ngorongoro Conservation Area, dort wo die großen Gnuherden im Frühjahr ihre Kälber in Massengeburten zur Welt bringen. Dieses Gebiet ist mit rund 10.000 Quadratkilometer so weitläufig, dass es über große Teile nur Offroad per Geländewagen befahren werden kann und darf.
In den Weiten der Serengeti sind die Kompetenz der Fahrer und wirklich Offroad taugliche Allradfahrzeuge noch viel entscheidender als in der viel überschaubareren Maasai Mara. Während in der Mara meist auf Tracks gefahren wird, deren schlimmste Schlaglöcher den Maasai Drivern häufig bekannt sind, geht es in abgelegenen Gebieten der südlichen, nördlichen oder auch östlichen Serengeti zeitweise über lange Strecken querfeldein. Ständiges rumpeln und mitunter schwere Schläge im Fahrzeug durch Felsen oder Baumstümpfe im tiefen Gras muss man dabei in Kauf nehmen, wobei Michaels Landrover dabei nicht so aufschaukeln und springen wie die schweren Land Cruiser in der Mara. Auch Sprechfunk macht dort nur in der Fahrzeug-Gruppe per Walky-Talky Sinn. Fahrzeugschäden muss der Fahrer unterwegs selbst in den Griff bekommen, oder ein nahegelegenes Camp mit Fahrzeugwerkstatt aufsuchen. Naheliegend kann hier 20 und mehr Kilometer mit dem beschädigten Fahrzeug im Schritttempo bedeuten. Auf unserer 14 Tagestour haben wir bei dieser Beanspruchung des Fahrzeugs zweimal die Hydraulikdichtung der Kupplung verheizt, aber glücklicherweise kann man einen Landrover mit gelegentlichem Anschieben auch über weite Strecken ohne Kupplung fahren. Einmal hat uns ein Felsbrockendie Vorderachse soweit verbogen, dass das Fahrzeug nur sehr widerwillig in der Spur zu halten war. Eine Fotografentour in abgelegene Gebiete der Serengeti kann schnell Expeditionscharakter bekommen und nach Uhrzeit eng getaktete Ziele in dieser Wildnis abzufahren ist meistens nicht möglich. Man braucht in der riesigen Serengeti Geduld, dafür wird man mit dem Erlebnis von unberührter Natur belohnt.
Als fotografisches Reiseziel kann man die Serengeti nicht wirklich mit meinen Touren in die Maasai Mara vergleichen. Die Serengeti ist kein riesiger Freilichtzoo - wie die Maasai Mara von einigen Profifotografen abfällig bezeichnet wird. Sie ist abseits der (Massen) touristischen Routen noch echte Wildnis und man muss sich seine Fotos nicht selten unter hohen Strapazen erkämpfen. Dafür bekommt man aber häufig außergewöhnliche und nicht selten exklusivere Fotos, weil man dort nicht zeitweise mit 50 oder 100 anderen Fotografen oder Touristenfahrzeugen am gleichen Motiv oder Ereignis steht oder sogar störende Fahrzeuge mit auf dem Bild hat.
Trotzdem ist die Maasai Mara für all diejenigen von euch, die früh morgens und am Nachmittag möglichst eine Raubkatze nach der anderen fotografieren wollen und dafür in den Saisonzeiten größere Fahrzeugansammlungen in Kauf nehmen – meist finden wir auch dann noch eine passende Lücke für euch – das bessere Reiseziel. Auch die Migration lässt sich in der Mara einfacher erleben, allerdings teilt man dort dieses Erlebnis – speziell die atemberaubenden Flussdurchquerungen der großen Gnuherden – zeitweise mit hunderten anderer Fahrzeuge am Ufer des Mara-Rivers.
Wer aber eines der letzten großen und intakten Ökosysteme auf unserem Planeten erleben will, die riesigen Grassavannen im Süden und Osten der Serengeti mit den wandernden Gnu- und Zebraherden, die von Löwen, Hyänen und Geparden attackierten Massengeburten der Gnukälber im Frühjahr in Ndutu, die Sammlung der riesigen Gnuherden beim Aufbruch zur großen Migration nach Kenia im Sommer, die unendlich erscheinende Savannen-Landschaft mit den von Löwenrudeln besetzten Felsinseln, den Kopjes, und für außergewöhnlichen Fotos die Strapazen von längeren und beschwerlichen Anfahrten auf Horrorpisten und lange Offroad-Fahrten in Kauf nehmen will, für den kann die Serengeti „The Promised Land“ werden.
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